22. BFW-SEMINAR
HANDWERK DIGITAL? NA GUT, DA GEHT NOCH WAS
BFW-Seminar 2023 in Bad Lauterberg: zwei rasante Tage durch die digitale Zukunft des Dachdeckerhandwerks in Niedersachsen, Bremen und Sachsen-Anhalt
Bis auf den letzten Platz war das Plenum im Revita-Hotel Bad Lauterberg besetzt. Dorthin waren etwa 130 Dachdeckerinnen und Dachdecker aus Bremen, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt zum 22. BFW-Seminar gekommen. Was soll man sagen: Hat die Pandemie in manchen Bereichen eher ungewollt den Digitalisierungsturbo gezündet, stellt sich an zwei Seminartagen heraus: Da geht noch mehr. Das Dachdeckerhandwerk digital – wer hätte gedacht, dass das so amüsant sein kann, oder doch gefährlich? Die Vorträge rund um das Leitthema „Digitalisierung“ boten von allem etwas. Ganz am Anfang aber stand ein zutiefst analoger Vorgang: die Verleihung des BFW-Awards. Begleitend zum Seminar boten verschiedene Anbieter für Unternehmenssoftware Beratungen an ihren Informationsständen an. BFW, diese Buchstaben stehen für gelebtes Engagement rund um die Berufsförderung: „Berufsförderungswerk des Dachdeckerhandwerks Niedersachsen-Bremen und Sachsen-Anhalt e.V.“ Für das Unternehmen Böcker Maschinenwerke GmbH in Werne gilt das seit 1984. So lange ist das Unternehmen bereits Mitglied im BFW. Für eine langjährige Unterstützung des ABZ und der Nachwuchsgewinnung gab es den BFW-Award 2023 aus den Händen des Vorsitzenden Rudolf Behr und des Hauptgeschäftsführers Frank Biermann. Die Laudatio hielt BFW-Vorstandsmitglied Sebastian Olkiewicz.
Digitale Welt, überwachte Welt – Arbeitgeber dürfen nicht alles
Die böse Verführung der schönen digitalen Welt thematisierte Frank Biermann in seinem Vortrag. Was darf ein Arbeitgeber, wenn es um digitale Spuren seiner Mitarbeiterschaft geht? Wie weit darf er Facebook und Co. nutzen, um etwa Kündigungsgründe zu haben? Ist ein Keylogger erlaubt? Darf er Mitarbeitenden wegen ihrer Posts in sozialen Netzwerken kündigen? Wie weit geht die digitale Überwachung, bevor sie ins Illegale abdriftet? Die eine klare Antwort gibt es nicht. Wohl aber Grenzen für beide Seiten, wie der Anwalt für Arbeitsrecht betonte, um mit den Dachdeckerinnen und Dachdeckern eine Reise durch das Best-of der digitalen Verfehlungen zu unternehmen. Fazit: Wer lügt und betrügt, fremdenfeindliche Reden im Netz von sich gibt oder andere strafbare Inhalte postet, muss mit Konsequenzen des Arbeitgebers rechnen - mindestens, wenngleich ein Arbeitgeber eigentlich nicht im Internet über Arbeitnehmer recherchieren darf, aber: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Auch der Umgang mit Daten von Mitarbeitern, die Veröffentlichungen von Bildern, erzwungen oder freiwillig, streifte der Hauptgeschäftsführer kurz. - Es ist ein spannendes Thema, und im Zweifel lohnt Expertise eines Anwalts, weil schlichtweg unüberschaubar.
Von gescheiterter Kommunikation zwischen den Generationen und der Entwicklung des Dachdeckerhandwerks
Eigentlich ist „unüberschaubar“ ein gutes Stichwort für den nächsten Referenten. Jan Voges, Dachdeckermeister, den Beruf übt er tatsächlich noch aus, Influenzer, Youtuber, Alleinunterhalter im Wort, Menschenversteher und LIV-Landesreferent für Digitalisierung. Wer will da noch durchblicken? Digital, das hat was mit den Generationen zu tun, meint er, mit Sprache, Selbstverständnis, Ansprüchen, Lebensplänen – ach nein, Lebenseinstellungen, Führungsstil – eine komplizierte Sache. Und vor diesem Hintergrund sollen Unternehmen noch erfolgreich arbeiten, möglichst mit glücklicher Belegschaft. Ähm, geht das überhaupt? Nun, Voges versuchte es zunächst mit den Generationen: Silent, Boomer, X, Y, Z und Alpha. Eine jede hat ihre Eigenart. Der Silent hat überlebt, die Boomer sind die Wirtschaftsaufschwunggeneration, die Xer sind irgendwie kopflos durch die rasante technische Entwicklung gerauscht, die Generation Y ist von Optionen nur so überwältigt, die Z-ler sind die Digital Natives und denken nur an sich, und die Alphas werden noch schlimmer. Wie soll man da nur richtig kommunizieren? Jan Voges arbeitet das Fazit seines Vortrages Stück für Stück heraus. Am Ende sind es wohl das eigene Selbstverständnis gepaart mit wesentlichen Grundwerten. Auf dem Weg zu dieser Erkenntnis musste sein Publikum durch tiefschwarzen Humor, beängstigende Szenarien, um sich gleich danach die Bäuche vor Lachen zu halten. Das half bei den Sprüngen von Thema zu Thema.
I-Pad only – eine Lobeshymne auf mehr Zeit für's Leben
Die Mixtur passte und machte Lust auf mehr. Karl-Heinz Krawczyk lieferte. Den kennen Sie nicht? Sollten Sie aber. Der Landesinnungsmeister aus Baden-Württemberg ist sozusagen der Papst des Büros im I-Pad-Format. Einst habe er überlegt, was er wirklich braucht. Es blieb ein I-Pad mit dem berühmten Apfelsymbol, dem M1-Chip, einer externen Tastatur und einem großen Monitor – ach ja, eine Cloud gehört für ihn auch noch dazu. Für den passionierten Flieger reicht das aus, um sein Unternehmen zu leiten, seiner Fliegerei zu frönen und auch noch Privatsphäre zu genießen – alles gut strukturiert, versteht sich. Er plant, kalkuliert, schreibt Angebote, dokumentiert Baustellen in Wort und Bild, fakturiert alles mit der Wunderwaffe gegen den Büroblues, und lebt. Letzteres hat mit Einzug des I-Pads offenbar einen deutlich größeren Stellenwert erhalten. Karl-Heinz Krawczyk demonstrierte die Möglichkeiten, die ein I-Pad bietet, und hielt ein flammendes Plädoyer. Steve Jobs wäre stolz auf den Mann. Arbeiten, von wo aus man auch möchte, aber nur so viel, wie nötig, dabei mehr Geld verdienen, das klang beinahe nach einer Phantasiewelt. Für Karl-Heinz Krawczyk ist das Realität.
Betriebe im Internet und die böse Falle Informationssicherheit
Unter dem Schlagwort Optimierung bei gleichzeitig größter Sicherheit könnte man die Referate des zweiten Seminartages zusammenfassen. Zunächst lockte Harald Weber die Anwesenden auf das Glatteis Unternehmensdarstellung im Internet und gelungene Mitarbeiterfindung. Für wen der Begriff SEO-Optimierung neu war, der hat jetzt Klarheiten, warum sich sein Betrieb im Internet sozusagen verliert. Eine wichtige Botschaft, die auch Jan Voges prägte: Die Aussage von Kunden, man habe einen Betrieb im Internet gefunden, ist mehr wert als jede Empfehlung guter Freunde. Aber: Wie geht das, und welche Ansprache braucht es? Auch Weber bemühte die Generationen, deren Sprache sowie die Art und Weise der Informationsgewinnung. Ein Fazit: Geht es um Mitarbeitergewinnung, braucht es vor der richtigen Ansprache die Klarheit, welcher Typ Mensch eigentlich passt. Das war fast eine kleine Auffrischung der Inhalte des Vortages. Jan Voges warnte nämlich, Mitarbeitende nicht mit Geld zu locken. Tja, und in Sachen Kundengewinnung über das Internet geht es um Themen, die die Menschen bewegen. Ein Aspekt, den Generation Alpha wohl mit der Muttermilch aufnehmen dürfte. Waren alle nun frisch auf dem Weg in das Glück bringende „WWW“, da trat Jörg Peine-Paulsen vom niedersächsischen Verfassungsschutz auf die imaginäre Bremse: Datenklau, Datenmissbrauch, Spionage, Erpressung – die dunkle Seite der Macht, nein, des Internets. Es wurde spannend, wo überall die kleinen aber sehr bösen Fallen locken. Fishingmails sind da noch die harmloseste Variante. Und so mahnt der, der James Bond ganz ohne Walter PPK zur Strecke bringen könnte, auf die Sicherheit der Betriebsinformationen und -daten zu achten. Passworte? Ja, da gibt es abenteuerliche Exemplare, und Daten in einer Cloud? Na ja, geht, aber. Huch, da war doch was mit der idealen Lösung für ein Büro im Tabletformat. Der Mann ist aber auch ein Spielverderber. Nicht ganz, er kennt nur die Tricks der echten Spielverderber. Und weil er sie alle verraten hat, haben die bösen Buben im Internet keine Chance mehr bei den Dachdeckern. Im Zweifel: „Rufen Sie mich an, ich helfe gerne“, versprach der „Q“ der digitalen Welt den versammelten Handwerkern. (Erik Beyen)
Auf unserem BFW-Seminar wurden auch Interviews mit den anwesenden Softwareanbietern, unserem Landesinnungsmeister und unserem Hauptgeschäftsführern geführt.
Diese Interviews können hier abgerufen werden:
Codex
Dach24
M-Soft
RL Dachsoftware
Landesinnungsmeister Carsten Stelter
Hauptgeschäftsführer Dr. Frank Biermann
BFW Award
für besondere Leistungen im Dachdeckerhandwerk
Diesen schönen Award verleihen wir an besondere Persönlichkeiten, die sich um das Dachdeckerhandwerk verdient gemacht haben.
Die Preisträger sind
1. Award Heiner Lüpkemann, Jugendbeauftragter
2. Award Alexander Böcker